Interview mit Dr. Kai Stölting, Laborleiter Biologische Analytik und Referenzen METAS

1. Was versteht man unter "Biologische Analytik und Referenzen"?

In der biologischen Analytik arbeiten wir am Nachweis von unerwünschter oder unbekannter Spezies in Lebensmitteln und im Gesundheitsbereich. Wir sind in der Lage, selbst geringste Mengen genetischen Materials quantitativ zu bestimmen und leisten damit einen Beitrag z.B. zur Diagnose zeitkritischer Erkrankungen wie der Sepsis ("Blutvergiftung") oder zum Nachweis unerwünschter gentechnisch veränderter Organismen oder illegal importierter geschützter Arten.

Referenzmaterialien sind Materialien, die zur Überprüfung und Kalibrierung von Analysemethoden und Messgeräten verwendet werden. Sie werden mit hoher Genauigkeit analysiert und verändern sich im Laufe der Zeit nur sehr wenig. Mit entsprechenden Zertifikaten versehen, sind sie im Prinzip nichts anderes als "Vertrauen aus der Flasche", mit dem jedes Labor seine eigenen Messverfahren und Messinstrumente auf ihre korrekte Funktion überprüfen kann. Ihre Herstellung ist darum sehr aufwändig. In der Biologie sind nur sehr wenige solcher metrologisch rückgeführten Referenzmaterialien bekannt. Nur mit solchen Referenzmaterialien, die sich direkt auf das SI-System, das internationale Einheitensystem beziehen, können verschiedene Messinstrumente bzw. die mit ihnen generierten Messwerte auch langfristig verglichen werden.

Die "biologische Analytik und Referenzen" ist ein kombiniertes Labor, das sich mit angewandten Forschungsfragen für die Metrologie, also die Messtechnik in der Biologie und den Lebenswissenschaften beschäftigt. Daneben sind wir auch in zwei nationalen Referenzlaboratorien tätig, und stellen unsere Expertise kantonalen Laboratorien auftragsgemäss zur Verfügung. Unsere Referenzlabore wenden Verfahren an, die von fachlich anerkannten Institutionen wie der Internationalen Organisation für Normung (ISO) herausgegeben werden. Im Rahmen unserer Tätigkeit als nationales Referenzlabor sind wir nach ISO 17025 akkreditiert.

2. Was ist der Auftrag als nationales Referenzlabor? Welche Dienstleistungen erbringt das Eidgenössische Institut für Metrologie METAS im Bereich der Lebensmittelsicherheit an?

Wir, das Eidgenössischen Institut für Metrologie METAS, sind verantwortlich, dass in der Schweiz genau und zuverlässig gemessen wird. Wir sind das Kompetenzzentrum des Bundes für Fragen rund um das Messwesen, Messmittel und Messverfahren. METAS betreibt vier nationale Referenzlaboratorien für die Lebensmittelsicherheit.

Die Referenzlaboratorien sind Schaltstellen zwischen den mit den amtlichen Kontrollen beauftragten kantonalen Laboratorien und den europäischen Referenzlaboratorien. Sie stellen sicher, dass die Kontrolltätigkeiten harmonisiert erfolgen. Im Rahmen der Referenzlabortätigkeiten werden zuverlässige und robuste Messmethoden entwickelt, validiert und implementiert. Die zuständigen Behörden werden wissenschaftlich und technisch unterstützt und über neue Entwicklungen bei den entsprechenden Tätigkeiten in den Europäischen Referenzlaboratorien informiert. So ermöglichen wir Vertrauen in die Analysenresultate für die Lebensmittelsicherheit im täglichen Leben.

Das Nationale Referenzlabor für durch Lebensmittel übertragbare Viren kann am METAS folgende pathogene Viren nachweisen: Hepatitis A- und Hepatitis E-Virus, Norovirus (Genogruppe I und II), Enterovirus und Rotavirus. Es untersucht Viren, die vor allem auf pflanzlichen Lebensmitteln (Früchte, Beeren, Gemüse, Salat), und auf tierischen Lebensmitteln (Wurstwaren, Fleischerzeugnisse, Muscheln) vorkommen, sowie im Trinkwasser. Es werden auch Wischproben auf virale Belastung hin untersucht.

Zum Nachweis von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) verfügen die Nationalen Referenzlaboratorien am METAS über ein breites Spektrum an Analyseverfahren, das fortlaufend erweitert wird. So können alle in der Europäischen Union aktuell zugelassenen GVO mit spezifischen Verfahren nachgewiesen werden. Sie beruhen auf Standardmethoden, die vom Europäischen Referenzlabor im Rahmen des Zulassungsverfahrens validiert, das heisst auf ihre Eignung überprüft wurden. Die Methoden sind auf der Webseite des Europäischen Referenzlabors veröffentlicht. Darüber hinaus werden allgemeine Suchverfahren (Screening-Methoden) eingesetzt, mit denen genetische Elemente, die in vielen GVO vorkommen, gleichzeitig nachgewiesen werden können. Sie sind vor allem für den Nachweis unbekannter, nicht zugelassener GVO nützlich.

3. An welchen Forschungsprojekten arbeitet das Labor "Biologische Analytik und Referenzen" derzeit?

Unser Labor "Biologische Analytik und Referenzen" arbeitet derzeit an mehreren Forschungsprojekten. Unser Hauptinteresse besteht darin, die Messtechnik für biologische Messungen weiterzuentwickeln, Messungen vergleichbar zu machen und bisher hauptsächlich qualitative Messverfahren quantitativ nutzen zu können. Durch unsere Forschung vermitteln wir auch den Mehrwert der metrologischen Rückverfolgbarkeit. Unsere Arbeiten nutzen unter Berücksichtigung einer Referenzmessmethode, der digitalen PCR, neue Analysetechniken wie die sogenannte Hochdurchsatz-Sequenzierung (bzw. NGS) zur Bestimmung der Basenpaarsequenzen beliebigen Erbgutes – der DNA oder der RNA eines Organismus. So nutzen wir bei uns entwickelte NGS Referenzmaterialien bei der Detektion von Vibrionen – im Meerwasser auf Meeresfrüchten vorkommende Bakterien – und eventuell vorhandener Referenzgene. Wir nutzen die digitale PCR aber auch zum beschleunigten Nachweis von Erregern, die an der Sepsis ("Blutvergiftung") beteiligt sind, und wir können mit unseren Methoden auch die Identität von unbekannten Arten in Fleisch- und Pflanzenproben nachweisen. Unsere Forschungen erstrecken sich auch auf den verbesserten Nachweis von Viren in Lebensmitteln. Da wir im angewandten Bereich zum Nutzen der Schweizer Bevölkerung tätig sind, halten wir uns auch technologisch und analytisch stets auf dem neusten Stand und bereiten uns heute auf die messtechnischen Herausforderungen der Zukunft vor.

Letzte Änderung 16.05.2023

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https://www.metas.ch/content/metas/de/home/dok/publikationen/meldungen/wmd2023/interview_stka.html