Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Medienschaffende
Sie fragen sich vielleicht, weshalb ich als Bildungsdirektorin des Kantons Zürich zu dieser Vorlage spreche. Ich tue dies aus zwei Gründen:
- Als Nationalrätin - deren Amtszeit bald abgelaufen sein wird - und insbesondere als Präsidentin der Subkommission, welche zur Behandlung der Volksinitiative durch die Rechtskommission eingesetzt wurde, habe ich mich über intensiv mit dem Anliegen der Initianten befasst.
- Verantwortlich fühle ich mich aber auch als Bildungsdirektorin, geht es doch bei der ganzen Thematik auch um den Schutz von Jugendlichen und Kindern vor zunehmender Gewalt und Missbrauch. Ich spreche aber nicht im Namen der Zürcher Regierung, denn diese nimmt zu eidgenössischen Volksinitiativen nicht Stellung. Immerhin darf ich bemerken, dass auch der Chef des psychiatrisch-psychologischen Dienstes des Kantons Zürich, Prof. F. Urbaniok, der auf die Behandlung gefährlicher Gewalttäter spezialisiert ist, sich mehrfach zu dieser Initiative geäussert hat - im ablehnenden Sinne.
Gewaltverbrechen erschüttern jeweils die Öffentlichkeit, lösen kollektive Trauer aus und verstärken den Ruf nach mehr Sicherheit. Besonders tragisch sind solche Verbrechen, wenn die Täter der Polizei und Justiz bereits bekannt waren und die Tat bei entsprechenden Vorkehren hätte verhindert werden können.
Wie der Bericht über Kindsmissbrauch in der Schweiz oder die Berichte über Kindsmissbrauch zu Zwecken der Vermarktung auf dem Internet zeigen, hat Gewalt gegen Kinder enorm zugenommen. Die grösste Gefahr für Kinder geht indessen nach wie vor von Personen aus ihrem unmittelbaren Umfeld, also von Vertrauenspersonen, aus. Der zweite grosse Feind von Kindern und Frauen ist die Armut, die sie unter anderem in die Fänge von Menschenhändlern und Sextouristen treibt.
Die Verhinderung und Bekämpfung dieser Delikte stellt die Gesellschaft und die Strafvollzugsbehörden vor grosse Probleme. Zum Schutz der Kinder sind alle Massnahmen zu treffen, um in der Kriminalitätsbekämpfung rasch, verbessert und koordiniert voranzukommen.
So habe ich als Nationalrätin vom Bundesrat wiederholt verstärkte Anstrengungen im Bereich Internet-Monitoring gefordert und habe mich für eine Verbesserung der Koordination zwischen Bund und Kantonen im Bereich der Strafverfolgung von Delikten, die über das Internet begangen werden, eingesetzt.
Schon 1996 - also geraume Zeit bevor mit der Unterschriftensammlung zur Verwahrungsinitiative begonnen wurde - habe ich zudem mit einer Motion vom Bundesrat eine Verschärfung des Strafgesetzbuches zum besseren Schutz der Gesellschaft vor gefährlichen Gewalttätern verlangt.
Die Anliegen meiner Motion wurden von Bundesrat und Parlament im Rahmen der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches umgesetzt und zwar in einer Art und Weise, die dem Schutz der Öffentlichkeit besser dient, als die Initiative dies vorsieht.
Gegen die Initiative sprechen meines Erachtens auch Gründe, die bisher nicht oder nur am Rande angeführt werden:
So wie ich die Richterinnen und Richter dieses Landes kenne, wird es den meisten von ihnen schwer fallen, über einen Menschen ein derart endgültiges Urteil zu fällen, wie es die Initiative verlangt, besonders wenn der Täter im Zeitpunkt des Urteils noch jung ist und erstmals in so schwerer Weise delinquiert hat. Dasselbe dürfte für die Gutachter und Gutachterinnen gelten. Wegen der Endgültigkeit und der Tragweite des Urteils ist davon auszugehen, dass von der Verwahrung im Sinne der Initiative nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht und allenfalls sogar darauf verzichtet würde, obwohl der Täter sehr gefährlich ist.
Die Praxis der Gerichte bei Mordfällen bestätigen diese Befürchtung: Solange Mord mit einer lebenslangen Zuchthausstrafe bestraft werden musste, wurden praktisch keine Urteile wegen Mord ausgefällt. Seit der Strafrahmen neu definiert wurde , d.h. eine Mindeststrafe von 10 Jahren Zuchthaus vorgesehen worden ist, werden viel häufiger Straftaten als Mord qualifiziert und bestraft.
Ein weiterer Punkt, der gegen die Initiative spricht: Diese geht davon aus, dass nur nicht therapierbare Täter verwahrt werden sollen. Dieser Begriff ist nicht genügend bestimmt, um eine klare und erst noch eine endgültige Zuordnung zu ermöglichen. Als nicht therapierbar werden in der Praxis auch Täter bezeichnet, die nicht bereit sind, sich in eine Therapie zu begeben, was sich im Laufe des Vollzuges ja ändern kann und damit eine neue Beurteilung ermöglichen sollte.
Nichttherapierbarkeit kann sich aber auch aus der Tatsache ergeben, dass eine entsprechende Einrichtung fehlt. Da stellt sich dann die Frage, ob es gerechtfertigt sei, jemanden bis zum Ende seines Lebens einzuschliessen, weil man ihm kein Angebot machen kann oder will. Das ist nicht nur unter dem Aspekt der Rechtsstaatlichkeit fragwürdig, sondern auch ökonomisch unvernünftig, denn die lebenslängliche Verwahrung im Hochsicherheitstrakt ist mit Sicherheit die teuerste Methode, die Öffentlichkeit vor gefährlichen Straftätern zu schützen.
Im Gegensatz zum geltenden Recht ist nach dem neuen Gesetz die Verwahrung auch bei Ersttätern möglich, die keine psychische Störung im Sinne de Psychiatrie aufweisen.
Insofern geht dieses über die Initiative hinaus (die nur psychisch gestörte Täter umfasst, welche nicht behandelbar sind), mit der Verpflichtung allerdings, dass die Verwahrung regelmässig überprüft werden muss. Damit kann einer Entwicklung des Täters Rechnung getragen werden und er wird angespornt, sich mit seiner Tat und seiner Persönlichkeit auseinander zu setzen.
Es gehört zum Kerngehalt der Menschenrechte, dass jedem Menschen eine Entwicklung zugestanden wird. Indem sie dies verunmöglicht, verstösst die Initiative gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Wer einmal verwahrt wird, bleibt es für immer. Das ist letztlich eine Absage an das Recht auf Leben, denn zum Leben gehören Entwicklungen und Veränderungen.
Ich bestreite aber nicht , dass es tatsächlich Täter gibt, die nicht therapierbar sind und gefährlich bleiben. In solchen Fällen ist es richtig und nötig, dass sie hinter Schloss und Riegel bleiben. Das ermöglicht aber auch das neue Strafgesetzbuch - das geltende übrigens auch. Für eine lebenslängliche Verwahrung braucht es deshalb keinen neuen Verfassungsartikel.
Ein zentraler Unterschied zwischen der Initiative und dem Gesetz besteht meines Erachtens darin, dass die Verwahrung nach neuem StGB vom Gericht auch nachträglich noch angeordnet werden kann, wenn sich herausstellt, dass die Gefährlichkeit zum Zeitpunkt des Urteils nicht richtig erkannt wurde und die Rückfallgefahr auch nach Durchführung einer stationären Massnahme noch besteht.
Für die Täter ist das neue Gesetz damit härter als die Initiative, weil sie nicht damit rechnen können, nach Absitzen der Freiheitsstrafe oder nach dem Vollzug einer Massnahme tatsächlich entlassen zu werden. Das ist rechtsstaatlich nicht ganz unproblematisch, aber hier hat der Gesetzgeber das öffentliche Sicherheitsinteresse höher gewichtet.
Aus all diesen Gründen bin ich überzeugt, dass die neuen Bestimmungen im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches besser geeignet sind, den Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Straftätern zu gewährleisten.
Letzte Änderung 18.11.2003