Runder Tisch auf Kurs

Bern, 06.06.2014 - Der Runde Tisch für die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen hat heute an seiner fünften Sitzung im Staatsarchiv des Kantons Zürich den Entwurf seines Berichts beraten, den er Anfang Juli zuhanden der politischen Behörden verabschieden wird. Er nahm zudem Kenntnis von einer Studie des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung über die Aufarbeitung vergleichbarer Missstände im Ausland. Inzwischen sind bereits zahlreiche Gesuche um Soforthilfe eingegangen, erste Beträge werden im September ausbezahlt.

Kernstück des Berichts, den der Runde Tisch erarbeitet hat, ist ein umfassendes Massnahmenpaket, um dieses dunkle Kapitel der Schweizer Sozialgeschichte aufzuarbeiten. Neben der wissenschaftlichen Aufarbeitung und der Sensibilisierung der Gesellschaft sieht das Massnahmenpaket auch finanzielle Leistungen zugunsten der Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor. Mit der Schaffung eines Solidaritätsfonds soll der Staat seine Anerkennung des begangenen Unrechts bekräftigen und seinen Willen zur Wiedergutmachung bekunden.

Aufarbeitung im Ausland: Gemeinsamkeiten ...

Die auf Anregung des Runden Tisches vom Schweizerischen Institut für Rechtsvergleichung  erstellte Studie zeigt auf, wie im Ausland vergleichbare Missstände (namentlich Missstände in Kinderheimen sowie Zwangssterilisationen und Zwangsadoptionen) aufgearbeitet worden sind. Sie berücksichtigt insbesondere die in Deutschland, Schweden, Norwegen, Irland, Australien und im US-Bundesstaat North Carolina ergriffenen Massnahmen. Trotz des unterschiedlichen politischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Kontextes lassen sich gewisse Gemeinsamkeiten erkennen. So fand überall eine staatliche Untersuchung statt, bei der die Betroffenen in unterschiedlichem Umfang einbezogen wurden. In allen Staaten entschuldigte sich eine hohe politische Behörde für das begangene Unrecht. Um die Erinnerung daran wachzuhalten, wurden Gedenkanlässe durchgeführt und Studien erstellt.

... und Unterschiede

Bei den Beratungsangeboten für die Betroffenen lag der Akzent teilweise auf der finanziellen Unterstützung, teilweise umfasste die Beratung auch medizinische und psychologische Aspekte. Am grössten waren die Unterschiede bei den finanziellen Leistungen. Dies betrifft die zugesprochenen Beträge, die von durchschnittlich 5500 bis zu maximal 10 000 Euro in Deutschland bis zu 300 000 Euro in Ausnahmefällen in Irland reichten. Auch für die Berechnung der Leistungen gab es unterschiedliche Ansätze: ein einheitlicher fester Betrag in Schweden, schematische Berechnungen in den meisten Staaten und eine individuelle Bemessung in Deutschland. Voraussetzung für finanzielle Leistungen war zwar in allen Staaten die individuelle Betroffenheit (z. B. Missbrauch oder Vernachlässigung infolge einer Heimeinweisung), doch teilweise wurden zusätzlich aktuelle Beeinträchtigungen (z. B. Folgeschäden oder Renteneinbusse) vorausgesetzt.

Erste Gesuche um Soforthilfe

Der Solidaritätsfonds und verschiedene andere Massnahmen etwa im Bereich der Sozialversicherung und der Opferhilfe setzen die Schaffung gesetzlicher Grundlagen voraus, was drei bis vier Jahre dauern wird. Aus diesem Grund hat der von Bundesrätin Simonetta Sommaruga eingesetzte Runde Tisch einen als Überbrückungshilfe konzipierten Soforthilfefonds errichtet. Dieser Fonds wird auf freiwilliger Basis durch Kantone, Städte und Gemeinden sowie andere Institutionen und Organisationen unterstützt. Der durch die Glückskette verwaltete Fonds erhält auch Spenden von Privaten: Kürzlich hat eine Gymnasiastin ihr Preisgeld von 1000 Franken für ihre Maturitätsarbeit "Unfreiwillige Anstaltsversorgungen in der Schweiz" überwiesen. Bereits sind rund 150 Gesuche um Soforthilfe an den Delegierten für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen gerichtet worden. Der Delegierte hat einen Ausschuss zur Bearbeitung der Gesuche geschaffen; die ersten Auszahlungen durch die Glückskette werden im September erfolgen.


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Letzte Änderung 26.06.2024

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