Umsetzung der Ausschaffungsinitiative: Bundesrat schickt zwei Varianten in die Vernehmlassung

Bern, 23.05.2012 - Der Bundesrat hat heute zwei Varianten zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative in die Vernehmlassung geschickt. Er favorisiert die erste Variante, die sowohl dem Ausweisungsautomatismus als auch der Verhältnismässigkeit und dem Menschenrechtsschutz Rechnung trägt. Die zweite Variante sieht einen sehr weiten Deliktskatalog vor und kann im Einzelfall die Menschenrechte verletzen. Auf die Ausarbeitung einer dritten Variante hat der Bundesrat verzichtet.

Die vom Bundesrat favorisierte Variante 1 sieht die (Wieder-) Einführung einer Landesverweisung im Strafgesetzbuch und im Militärstrafgesetz vor. Sie konkretisiert den Katalog von Straftaten, die gemäss den neuen Verfassungsbestimmungen bei schweren Sexual- und Gewaltstraftaten automatisch zu einer Ausweisung führen und erweitert den Katalog um schwere Verbrechen gegen das Vermögen. Der Richter soll einen Landesverweis grundsätzlich aussprechen müssen, wenn es sich erstens um eine Tat des Deliktkatalogs handelt und zweitens eine Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten verhängt wird. Eine Ausnahme gibt es nur, wenn die Landesverweisung zu einer schwerwiegenden Verletzung der internationalen Menschenrechtsgarantien führen würde. Durch die Mindeststrafe wird garantiert, dass der Automatismus bei leichten Delikten in der Regel nicht zur Anwendung kommt. Hingegen werden Kriminaltouristen und Wiederholungstäter bei leichten Strafen für mindestens fünf Jahre des Landes verwiesen.

Variante 2 mit weitem Deliktkatalog

Die Variante 2 wurde von den Vertretern des Initiativkomitees im Rahmen der vom EJPD eingesetzten Arbeitsgruppe eingebracht. Auch sie sieht die (Wieder-) Einführung einer strafrechtlichen Landesverweisung vor. Der Deliktskatalog der Verfassung wird vor allem im Bereich der Gewaltdelikte um leichtere Verbrechen und Vergehen wie zum Beispiel der einfachen Körperverletzung erweitert. Der Richter soll zudem einen Landesverweis immer zwingend aussprechen müssen, unabhängig von der tatsächlich ausgesprochenen Strafe. Dies hätte zur Folge, dass kriminelle Ausländer auch bei Bagatelldelikten oder wenn das Gericht von einer Strafe absieht, ausgewiesen werden müssten.

Variante 1 trägt dem internationalen Menschenrechtsschutz Rechnung

Bei der Anordnung der Landesverweisung nach Variante 1 werden die internationalen Menschenrechtsverpflichtungen (insb. EMRK und UNO-Pakt II) weitgehend eingehalten. In der Variante 2 kann dies hingegen nicht gewährleistet werden, weil der Automatismus ohne Ausnahme auch bei weniger schweren Delikten und unabhängig von der persönlichen Situation des Betroffenen gelten soll. Völkerrechtliche Verpflichtungen aus dem Freizügigkeitsabkommen mit der EU (FZA) könnten bei beiden Varianten teilweise nicht eingehalten werden. Das im Rahmen des Abkommens relevante EU-Recht verlangt nämlich  eine Einzelfallprüfung, die mit der neuen Verfassungsbestimmung nicht immer zu vereinbaren ist. Variante 1 trägt den Vorgaben des FZA jedoch besser Rechnung als Variante 2, weil sie den Deliktskatalog auf schwere Verbrechen einschränkt, eine Mindeststrafe vorsieht und die völkerrechtlichen Menschenrechtsgarantien bei der Verhängung des Landesverweises mit einbezieht.

Aus all diesen Gründen spricht sich der Bundesrat für die erste Variante aus.

Dritte Variante verworfen

Am 25. April 2012 hatte der Bundesrat eine Aussprache zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative geführt. Dabei nahm er von den zwei Varianten des EJPD Kenntnis. Zusätzlich beauftragte er das EJPD, die Eckwerte einer dritten Variante aufzuzeigen. Der Bundesrat nahm am 9. Mai 2012 von den Grundzügen der dritten Variante Kenntnis und verzichtete darauf, diese detailliert ausarbeiten zu lassen. Er verwirft die dritte Variante mit der Begründung, sie weiche zu stark vom Volkswillen ab und sei dem von Volk und Ständen abgelehnten Gegenentwurf zu ähnlich.


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Letzte Änderung 26.06.2024

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