Interview, 22 février 2025: Walliser Bote; Gregory Feger
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Heute Samstag sind die Schweizer Sozialdemokraten zu Gast in der Briger Simplonhalle. Auch SP-Bundesrat Beat Jans ist dabei. Im Vorfeld traf ihn der «Walliser Bote» zum Interview.
Die SP Schweiz trifft sich heute Samstag zu ihrem Parteitag in Brig. Während Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider sich entschuldigen lässt, wird der Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) Beat Jans in Brig eine Rede halten. Das brisanteste Dossier Jans’ ist wohl das Asylwesen. Im Interview mit dem «Walliser Boten» im Vorfeld des Parteitags sagt er, weshalb er nicht einfach die Grenzen schliesst, dass die Rückführungen in der Schweiz auf einem Höchstwert in Europa seien – und wie er sich nach einem Jahr im Bundesrat fühlt.
Bundesrat Beat Jans, kochen Sie eigentlich gern Spaghetti?
Sehr sogar. Wenn es schnell gehen muss und ich etwas essen möchte, ist Pasta meine Lieblingsspeise.
Der «Tages-Anzeiger» schrieb, dass Sie Politik nach dem «Spaghettiprinzip» machen würden – «Ideen an die Wand werfen, und was kleben bleibt, ist die Lösung», so die Zeitung. Von aussen scheinen Sie es im Bundesrat zurzeit schwer zu haben. Stimmt der Eindruck?
Ich konnte bereits wichtige Geschäfte aufgleisen und auch durchbringen. Mein erstes Jahr habe ich auch für wichtige Personalentscheide genutzt. Ich habe auch viel Neues gelernt. Wir sind in meinem Departement jetzt sehr gut aufgestellt. Mit mir muss man rechnen!
Haben Sie das Gefühl, Sie seien zu nett für den Bundesrat?
Hat jemand gesagt, ich sei nett? (lacht)
Es wirkt zumindest so.
Anstand und Respekt sind mir wichtig – gerade in der Politik. Erst recht in diesen Zeiten, in denen die Polarisierung zunimmt. Bis auf die höchste Ebene gibt es immer mehr respektlose Politikerinnen und Politiker.
Zum Beispiel?
Ich nenne keine Namen. Für mich haben Anstand und Respekt immer dazugehört und waren nie ein Hindernis. Im Gegenteil: Ich glaube, ein grosser Teil der Bevölkerung hat das Polarisierende und Aggressive satt.
Diese Antwort ist doch eigentlich exemplarisch für Ihre Zurückhaltung – Sie wollen keine Namen nennen. Obwohl die meisten Personen wohl wissen, auf wen Sie anspielen.
Ich halte es für weise, dass sich der Bundesrat nicht über Politikerinnen und Politiker oder Wahlen im Ausland äussert. Wir halten uns da ganz bewusst zurück. Wir sind auch froh, wenn andere Länder das bei uns respektieren.
Ihre Kollegin Karin Keller- Sutter hat sich zur Rede des US-amerikanischen Vizepräsidenten in München geäussert.
Ich kommentiere auch Aussagen von anderen Bundesrätinnen und Bundesräten nicht. Wir diskutieren miteinander, aber nicht übereinander.
Zu Beginn Ihrer Zeit als Bundesrat legten Sie ein hohes Tempo an den Tag, insbesondere in der Asylpolitik. Selbst die SVP zeigte sich schon fast euphorisch. Diese Euphorie bei der SVP ist längst vergangen. Wie sieht es bei Ihnen aus?
Mein Enthusiasmus ist nicht verflogen. Auch das Tempo habe ich nicht zurückgenommen. Wir waren im vergangenen Jahr mit einer hohen Kadenz unterwegs und hatten entsprechend Erfolg. Die Pendenzen im Asylwesen konnten wir um ein Viertel abbauen. Und ich gehe davon aus, dass wir im kommenden Jahr so weit sein werden, dass alle Gesuche in Bearbeitung sind. Auch bei den Rückführungen haben wir vorwärtsgemacht – die Schweizer Rückkehrrate ist eine der höchsten in Europa. Um und in Asylzentren haben wir die Sicherheit verbessert, dafür haben wir runde Tische eingesetzt, wo sich die verschiedenen Behörden gezielt mit den schwierigsten Fällen befassen. Mit Erfolg: Die Sicherheit ist messbar höher.
Sie mögen die Rückführungen gesteigert haben. Doch allen voran die SVP kritisiert Sie nach wie vor, dass es nicht schnell genug vorwärtsgeht.
Das ist die Sache der SVP. Meine Aufgabe ist es, konkrete Probleme zu erkennen und Massnahmen zu ergreifen, um sie zu lösen. Ich mache Politik für und im Auftrag der Bevölkerung, nicht für die Parteien. Die Stimmbevölkerung hat das Asylgesetz mit grosser Mehrheit angenommen. Das Gesetz will, dass wir abgewiesene Personen möglichst schnell zurückführen. Das tun wir.
Ein SP-Bundesrat, der Rückführungen als Erfolg bezeichnet?
Wie gesagt, das ist der Auftrag der Bevölkerung. Aber wir konnten auch die medizinische und psychologische Situation in den Bundesasylzentren verbessern. Das ist mir wichtig. Mit solchen Massnahmen für konkrete Probleme können wir für die Akzeptanz des Asylsystems sorgen. Ich will ein menschliches Asylsystem. Letztlich geht es um Menschen – wer Anspruch auf Schutz hat, soll bei uns Schutz bekommen. Wir halten uns an unsere internationalen Verpflichtungen wie die Flüchtlingskonvention. Obwohl verschiedene Länder diese infrage stellen. Ich aber stehe genau für diese Grundwerte ein. Auch für den Familiennachzug, den ich gegen Vorstösse im Parlament erfolgreich verteidigt habe.
Die Akzeptanz der Bevölkerung für unser Asylsystem sinkt. Können Sie die Vorbehalte nachvollziehen?
Ja, ich habe für die Sorgen der Bevölkerung Verständnis. Noch nie zuvor gab es so viele Flüchtende auf der Welt wie zurzeit. Im Jahr 2022 kam noch der Krieg in der Ukraine dazu – über viereinhalb Millionen Menschen haben das Land Richtung Westeuropa verlassen, mehr als 100’000 kamen allein in die Schweiz. Wir konnten das bewältigen. Dafür hat die Bevölkerung ein riesiges Dankeschön und Kompliment verdient. Sie hat Grosses geleistet, damit das möglich war. Ebenso das Staatssekretariat für Migration (SEM).
Das System kam aber an seine Grenzen.
Das ist unbestritten. Gemeinden und Kantone stehen vor grossen Herausforderungen. Jetzt zeichnet sich aber eine Entlastung ab. Ich hoffe daher auf eine Situation wie vor dem Krieg in der Ukraine – die Organisation funktioniert besser und die Kantone und Gemeinden können ihre Aufgaben weiterhin bewältigen. Wir müssen das System stets hinterfragen und entsprechend optimieren. Die Ziele unserer Asylpolitik sind klar: Der Entscheid über ein Asylgesuch muss schnell fallen. Er muss rechtsstaatlich korrekt und vor Gericht anfechtbar sein. Doch andererseits müssen die Rückführungen ebenso schnell möglich sein. Und nicht zuletzt muss auch die Integration von Personen mit einem positiven Entscheid schnell gehen.
Im vergangenen Jahr haben Sie den Kontakt zu den Gemeinden gesucht – das SEM brauchte Plätze für die Schutzsuchenden. Die Rückmeldungen waren bescheiden.
Das hatte mit den bereits erwähnten Herausforderungen zu tun. Ich habe einen Aufruf gestartet. Und Kantone, die keinen Beitrag geleistet hatten, habe ich direkt angesprochen. Später zeichnete sich eine Entlastung ab – im vergangenen Jahr kamen weniger Asylsuchende zu uns als erwartet. Die Zahlen sinken weiterhin. Deshalb ist der Druck nicht mehr so gross. Doch durch diese Entwicklung im vergangenen Jahr ging ich auf die Kantone und den Städte- und Gemeindeverband zu.
Sie sprechen die neue Gesamtstrategie Asyl an.
Ich will das System krisensicherer machen, damit wir Schwankungen besser auffangen können. Es ist wichtig, zu verhindern, dass die Kantone, Städte und Gemeinden an den Anschlag kommen. Der Prozess der Gesamtstrategie ist lanciert. Wir klären gemeinsam viele verschiedene Fragen. Aber wir müssen das mit allen Ebenen gemeinsam machen – zusammensitzen und Lösungen finden.
Warum schliessen Sie nicht einfach die Grenzen?
Grenzschliessungen führen nicht zu einem Rückgang der irregulären Migration. Und lassen Sie mich etwas richtigstellen: Wir machen bereits heute Kontrollen an der Grenze. Und zwar machen wir sie gezielt und lageorientiert, nicht nur an den grossen Autobahn-Grenzübergängen. Da die Schweiz nicht Teil der EU-Zollunion ist, kontrollieren wir nach wie vor den Warenverkehr, und dabei kontrollieren wir auch Personen. Andere Länder fangen erst jetzt mit Kontrollen an, wie wir sie seit jeher machen.
Trotzdem scheinen Sie die irreguläre Migration nicht in den Griff zu bekommen.
Mit Grenzkontrollen kann man das auch nicht beeinflussen. Im Sommer 2024, rund um die EM in Deutschland und die Olympiade in Paris, hat der Bundesrat auf meinen Antrag hin beschlossen, die Kontrollen an der Grenze zu intensivieren. Auswertungen haben gezeigt: An der irregulären Zuwanderung hat sich nichts geändert. Das ist auch nicht überraschend.
Warum?
Die meisten Flüchtenden kommen mit Schlepperbanden in die Schweiz. Und diese wissen, wo wir kontrollieren.
Und was wollen Sie gegen die Schlepperorganisationen unternehmen?
Es handelt sich bei den Banden um organisierte Kriminalität – der Kampf gegen diese müssen wir intensivieren. Das funktioniert aber nur mit gezielter grenzüberschreitender Polizeikooperation. Die Schweiz kann gegen international agierende Banden nicht allein vorgehen. Es braucht einerseits den Datenaustausch mit umliegenden Ländern. Dadurch wissen wir, wo genau die jeweilige Organisation tätig ist. Andererseits gibt es die bilaterale Polizeizusammenarbeit. Zurzeit arbeiten wir an der Aktualisierung der Abkommen. Dank der Abkommen können wir gezielte, grenzüberschreitende Aktionen gegen Schlepperbanden organisieren.
Bis jetzt sprachen Sie nur über die irreguläre Zuwanderung. Was ist reguläre Zuwanderung?
Knapp 90 Prozent der Zuwanderung gehen in den Arbeitsmarkt – das sind Arbeitskräfte und ihre Familien. Das ist ein Zeichen, dass es unserer Wirtschaft gut geht – sie wächst und braucht Arbeitskräfte. Diese knapp 90 Prozent müssen wir aber von den Menschen unterscheiden, die zu uns kommen, weil sie in ihrer Heimat verfolgt werden oder in Not sind. Sie haben das Recht, ein Asylgesuch zu stellen und ein faires Verfahren zu bekommen.
Der Diskurs rund um die Zuwanderung ist schärfer geworden, die Akzeptanz sinkt. Gibt es Momente, in denen Sie sich fragen: «Warum bin genau ich in diesem Moment Asylminister?»
Im EJPD hat man tatsächlich immer wieder mit belastenden Themen zu tun. Es ist nicht einfach, sich ständig damit auseinanderzusetzen. Aber die Themen sind wichtig. Letztlich geht es um nichts weniger als um die Sicherheit der Menschen in diesem Land – dass sie sich hier wohl und sicher fühlen. Das ist enorm wichtig für das Freiheitsgefühl, unsere Identität und gesunde Entwicklung. Das motiviert mich – wir können einen wichtigen Teil zur Sicherheit der Bevölkerung beitragen. Deshalb bin ich gerne in diesem Departement und nach einem Jahr überzeugt: Ich bin am richtigen Ort.
Die Angst vor Terror im Zusammenhang mit der Zuwanderung steigt auch in der Schweiz – die Menschen fürchten um ihre Sicherheit. Verstehen Sie das?
Angst ist kein guter Ratgeber. Aber wir müssen alles dafür tun, um Terroranschläge zu verhindern. Deshalb müssen wir im Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität gezielte Verbesserungen herbeiführen. Darum setze ich mich auch für genügend Ressourcen für fedpol ein. Und wir haben zudem einen Aktionsplan gegen Menschenhandel und einen weiteren gegen Radikalisierung erstellt. Das ist ein wichtiges und erfolgreiches Instrument. Deshalb werden wir es auch weiterhin aufdatieren.
Inwiefern?
Wir haben festgestellt, dass die Radikalisierung bei uns in der Schweiz stattfindet. Über das Internet zum Beispiel. Das ist eine neue Ausgangslage: Jugendliche, zum Teil Minderjährige, kommen in extremistische Kreise. Es gibt dafür keine einfachen Lösungen, es ist eine umfassende Aufgabe: Da spielen das Bildungssystem, die soziale Sicherheit oder Armutsbekämpfung mit hinein. Ebenso eine gut aufgestellte und organisierte Polizei. Das ist Knochenarbeit, man muss ständig dranbleiben und sich verbessern.
In der Öffentlichkeit entsteht manchmal der Eindruck, dass in Ihrem Departement wenig so richtig gut läuft. Womit sind Sie im EJPD zufrieden?
Ich bin nach diesem ersten Jahr zufrieden. Ich denke da an die Fortschritte im Asylbereich. Oder die geplante Revision des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes. Wir können damit Menschen aus der Schuldenfalle holen. Die Revision des Opferhilfegesetzes finde ich auch sehr wichtig. Opfer sexueller Gewalt können sich dadurch besser gegen die Täter wehren. All das zeigt mir: Es lohnt sich weiterzumachen, ich kann der Bevölkerung etwas zurückgeben.
Am Tag Ihrer Wahl in den Bundesrat sagten Sie, dass Sie ein Bundesrat für die ganze Schweiz sein wollen. Dazu müssten Sie als Städter den berüchtigten Stadt-Land- Graben überwinden. Gelingt Ihnen das?
Ich habe einen urbanen Blick. Ich bringe die Interessen einer offenen, vernetzten und innovativen Gesellschaft ein, die sich für Kultur interessiert und auch für den Klimaschutz einsetzt. Der Bundesrat als Gremium muss dann sicherstellen, dass diese, aber auch andere Interessen nicht zu kurz kommen. Sonst gibt es bei Volksabstimmungen Niederlagen. Das sollten wir verhindern. Der Bundesrat ist für alle in diesem Land da – und ich möchte meinen Teil dazu beitragen.
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Dernière modification 22.02.2025