Bundesrat plädiert für modernes Familienrecht

Bern, 25.03.2015 - Die Formen des Familienlebens sind im Laufe der Zeit immer vielfältiger geworden. Diesem Wandel haben verschiedene Gesetzesänderungen in den letzten Jahren Rechnung getragen, wie der Bundesrat in einem am Mittwoch verabschiedeten Bericht festhält. Allerdings sieht der Bundesrat Handlungsbedarf für weitere Anpassungen – zum Beispiel stellt er die Einführung einer gesetzlich geregelten Partnerschaft mit geringerer rechtlicher Wirkung als die Ehe zur Diskussion. Die Ehe selber wird nicht in Frage gestellt. Der Bericht soll als Diskussionsgrundlage für künftige Gesetzesrevisionen dienen.

Den Bericht "Modernisierung des Familienrechts" hat der Bundesrat in Erfüllung eines Postulats erstellen lassen. Zu diesem Zweck hat er drei externe Gutachten in Auftrag gegeben und im Juni 2014 in Freiburg eine öffentliche Tagung zum Thema durchgeführt. Der heute verabschiedete Bericht verschafft eine umfassende Übersicht über die verschiedenen Gebiete des Familienrechts. Er umfasst namentlich das Kindesrecht, die Lebensbeziehungen unter Erwachsenen, die finanziellen Fragen und das Erbrecht. Er nennt die jüngeren Entwicklungstendenzen sowie die abgeschlossenen und laufenden Revisionen und wirft schliesslich die Frage des Handlungsbedarfs in den einzelnen Bereichen auf.

Stellung der faktischen Lebensgemeinschaft

Bei den Beziehungen unter Erwachsenen ist es für das Familienrecht eine Herausforderung, dass immer mehr Menschen in einem Konkubinat leben, das heisst einer sogenannten faktischen Lebensgemeinschaft, ohne zu heiraten. Im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen wird diese Frage kontrovers diskutiert. Der Bundesrat erachtet es nicht als notwendig, die faktischen Lebensgemeinschaften zusätzlich zu regulieren. Sinnvoll könnte lediglich eine Auffanglösung sein, wenn nach einem Krisenfall wie etwa Tod, Krankheit oder Trennung einer der Partner zu wenig abgesichert ist, aber nur wenn zwischen ihnen ein erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht besteht.

Zudem verweist der Bundesrat in seinem Bericht auf den französischen "Pacte civil de solidarité". Es handelt sich dabei um eine gesetzlich geregelte Partnerschaft mit geringerer rechtlicher Wirkung als die Ehe. Der Bundesrat erachtet dieses Modell als eine interessante Alternative zur Ehe, aber auch zur faktischen Partnerschaft.

Aufgrund des gesellschaftlichen Wandels stellen sich im Bereich der Lebensbeziehungen unter Erwachsenen weitere Fragen. Beispiele sind das Verhältnis der eingetragenen Partnerschaft zur Ehe; hier sieht der Bundesrat Diskussionsbedarf in Bezug auf die Frage, ob die eingetragene Partnerschaft an die Ehe anzugleichen ist oder ob umgekehrt die Ehe für gleichgeschlechtliche Partner offen stehen soll. Zu überprüfen sind auch die Zivilstandsbezeichnungen; hier ist unklar, ob die bisherigen Bezeichnungen noch zeitgemäss sind oder ob die Zivilstände "ledig" und "geschieden" durch "nicht verheiratet" ersetzt werden könnten und sollten.

Kindeswohl im Zentrum

Der Bericht befasst sich ferner mit familienrechtlichen Fragen, die das Kind betreffen. Mit Blick auf das Kindeswohl muss jedes Kind unabhängig vom Zivilstand der Eltern gleich behandelt werden. Die bereits geltende gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall und die vom Bundesrat vorgeschlagene Einführung des Betreuungsunterhalts sind wichtige Schritte in diese Richtung. Zu nennen ist ebenfalls die geplante Öffnung der Stiefkindadoption für Paare in eingetragenen Partnerschaften und in faktischen Lebensgemeinschaften. Der Fokus auf das Kindeswohl wirft jedoch weitere Fragen auf, die im Bericht des Bundesrates erörtert werden. Dazu gehört, wie das Kindesverhältnis aus in der Schweiz illegalen Leihmutterschaften festzulegen ist. 

Bundesrat nennt Handlungsbedarf

Mit dem Bericht plädiert der Bundesrat für Offenheit bei der Ausgestaltung eines modernen Familienrechts. Nun liegt es am Parlament, diese Diskussionen fortzuführen und dem Bundesrat Aufträge für Gesetzgebungsarbeiten zu geben. Dabei hält der Bundesrat im Bericht fest, wo er Handlungsbedarf als ausgewiesen erachtet.

Wie der Bericht schliesslich ausführt, ist nicht nur das Familienrecht im engeren Sinne zu modernisieren, sondern zum Beispiel auch das Sozialversicherungs- und das Steuerrecht. Eine tragende Rolle hat auch die Wirtschaft, die beispielsweise mit Anreizen für Teilzeitarbeit die wirtschaftliche Selbständigkeit beider Partner fördern kann. Der Bundesrat macht weiter darauf aufmerksam, dass die Freiheit bei der Lebensgestaltung auch mit Verantwortung jedes Einzelnen verbunden ist. Das moderne Familienrecht soll von allen gesellschaftlichen Akteuren gemeinsam gestaltet und getragen werden.


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