Botschaft zum Flugpassagierdatengesetz

Bern, 15.05.2024 - Medienkonferenz

Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Der Bundesrat hat die Botschaft zum Bundesgesetz über die Erhebung und Bearbeitung von Flugpassagierdaten verabschiedet. Solche Daten nutzt die Schweiz bisher nicht - im Unterschied zu vielen anderen Ländern. Dieser internationale Kontext ist wichtig für dieses Geschäft. Ich möchte kurz darauf eingehen, bevor ich die Vorlage erkläre:

1. Internationaler Kontext

Bereits heute nutzen 70 Länder, darunter alle EU-Länder, die USA oder auch Kanada Flugpassagierdaten für die Bekämpfung von Terrorismus und Schwerstkriminalität. Zahlreiche Länder haben dies eingeführt als Reaktion auf Terroranschläge: die USA nach den Anschlägen 2001 auf die New Yorker Twin-Towers; die EU nach den Anschlägen im Herbst 2015 in Paris und im Frühling 2016 in Brüssel.

Flugpassagierdaten - respektive Passenger Name Records, kurz PNR - sind Informationen, die Passagiere einer Fluggesellschaft oder einem Reisebüro angeben, wenn sie ein Flugticket buchen. Also etwa der Vor- und der Nachname, die Adresse und die Telefonnummer, die Destination, der Name des Reisebüros oder auch Informationen über die Zahlungsweise, also zum Beispiel die Kreditkartennummer und so weiter.

Le dossier PNR est un outil important dans la lutte contre le terrorisme.

Plusieurs résolutions du Conseil de sécurité de l'ONU invitent les États membres à utiliser ces données pour combattre le terrorisme. L'Organisation de l'aviation civile internationale ICAO a également adopté des normes en ce sens. Toutes ces règles internationales sont aussi contraignantes pour la Suisse.

2. Ist-Zustand ist unbefriedigend 

Die Schweiz verfügt aktuell über keine Rechtsgrundlage, um PNR-Daten zu nutzen. Die Schweizer Behörden können solche Daten weder bearbeiten, noch können wir Flugpassagierdaten von anderen Staaten verlangen.

Schweizer Fluggesellschaften hingegen müssen solche Daten über die Passagiere an Bord bereits heute erheben und weitergeben, wenn sie etwa in die EU, die USA oder nach Kanada fliegen.

Für die Schweiz ist diese Situation aus verschiedenen Gründen unbefriedigend und problematisch:

Die Schweiz könnte zum Beispiel zur Sicherheitslücke in Europa, im Schengenraum, werden. Wenn Kriminelle, die mit dem Flugzeug unterwegs sind, in die Schweiz fliegen, um so dem PNR anderer Länder im Schengenraum zu entgehen, entsteht eine Lücke.

Die Bearbeitung der PNR-Daten durch die Schweiz hat auch eine wirtschaftliche Dimension. Ohne PNR-Gesetz droht die Schweiz aus dem «Visa Waiver Program» der USA ausgeschlossen zu werden. Schweizerinnen und Schweizer könnten dann für Aufenthalte bis 90 Tage nicht mehr visumsfrei in die USA fliegen. Für Feriengäste wie auch für Geschäftsreisende würde es damit deutlich mühsamer in die USA zu reisen.

Sollte die Schweiz weiterhin keine Flugpassagierdaten austauschen, drohen auch den Schweizer Fluggesellschaften Nachteile: Sie könnten im Ausland gebüsst werden; allenfalls könnten sie sogar Landerechte verlieren. Im schlimmsten Fall könnte die Schweiz ihre Anbindung an den internationalen Flugverkehr teilweise oder ganz verlieren.

Le Conseil fédéral est convaincu de la nécessité d'une base légale qui nous permette d'utiliser les données relatives aux passagers aériens. Avec un système PNR, la Suisse disposera d'un outil important pour lutter contre le terrorisme et la grande criminalité. Elle pourra aussi se prémunir des risques auxquelles l'expose un refus du PNR : elle ne deviendra pas une faille de sécurité au cœur de l'espace Schengen et elle conservera sa position si précieuse dans le trafic aérien mondial.

3. Der Vorschlag des Bundesrates zum neuen Gesetz

Was regelt das neue Gesetz?

Wie nutzt die Schweiz künftig Flugpassagierdaten?

Mit dem neuen Gesetz wird bei fedpol ein neues Team geschaffen; die «Passenger Information Unit», kurz PIU. Auch das ist ein Begriff, der bereits in vielen anderen Ländern existiert - wir übernehmen ihn, auch im Gesetz. Das Gesetz regelt die Organisation der PIU und verpflichtet die Luftverkehrsunternehmen, die PNR-Daten dieser neuen Einheit bekannt zu geben. Das Gesetz regelt auch, wie die PIU diese Daten bearbeiten, und wie und an wen sie diese Daten weitergeben darf. Es gibt hier klare, restriktive Vorgaben. Das gilt insbesondere auch für den Datenschutz.

Mit dem neuen Gesetz müssen Luftfahrtunternehmen die Flugpassagierdaten der neuen Einheit im fedpol bekanntgeben. Die Bekanntgabe und Erhebung dieser Daten kann die Grundrechte und Grundfreiheiten tangieren. Deswegen ist der Datenschutz für den Bundesrat besonders wichtig. Er hat die datenschutzrechtlichen Bestimmungen gegenüber der Vorlage, die er in die Vernehmlassung geschickt hat, nochmals deutlich verschärft.

Was heisst das konkret?

  • Die PNR-Daten dürfen nur für ganz bestimmte Fälle verwendet werden. Nämlich nur zur Bekämpfung von Terrorismus und anderer Schwerstkriminalität. Der Bundesrat hat diesen Deliktskatalog mit der aktuellen Vorlage merklich eingeschränkt. Er ist im Gesetz im Anhang I zu finden.
  • Man muss sich das folgendermassen vorstellen: Die Fluggesellschaften übermitteln die Flugpassagierdaten an die PIU. Diese gleicht die Daten dann mit polizeilichen Informationssystemen ab. So kann beispielsweise der Abgleich der Kreditkartennummer einen Treffer ergeben, wenn in einer Ermittlung gegen Terrorismus diese Kreditkartennummer bekannt wurde. Die PIU wird diesen Treffer manuell überprüfen. Nur im Fall eines bestätigen Treffers werden die Daten an eine autorisierte Behörde bekanntgegeben. Für den Datenschutz wichtig ist auch die Frage, wie lange die Daten gespeichert werden dürfen. Auch dort sind wir nochmals strikter geworden. Neu sollen Daten ohne Hinweis auf Schwerstkriminalität oder Terrorismus nur einen Monat gespeichert werden dürfen. Neu sollen Daten ohne Hinweis auf Schwerstkriminalität oder Terrorismus nachher weitgehend anonymisiert werden, in der Fachsprache sagt man dem «pseudonymisiert».
  • Nach sechs Monaten muss die PIU diese Daten dann löschen. In der Vernehmlassungsvorlage war noch vorgesehen, dass alle Daten fünf Jahre gespeichert werden. Dies ist nun nur noch für Daten vorgesehen, die bereits Hinweise auf Terrorismus oder Schwerstkriminalität aufweisen. Sie sehen auch hier, wir sind in Sachen Datenschutz gegenüber der ursprünglichen Vorlage bedeutend strikter geworden.
  • Wir erfüllen damit die Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs, der im Jahr 2022 insbesondere zur Aufbewahrung von Flugpassagierdaten strenge Vorgaben formuliert hat.
  • Das neue Gesetz schreibt weiter klar vor, wem die PIU die Daten unter welchen Voraussetzungen bekanntgeben darf. Das sind Polizei- und Strafverfolgungsbehörden sowie die Nachrichtendienste von Bund und Kantonen. Zudem kann der Bundesrat aufgrund der Bedrohungslage einzelne Flugstrecken bestimmen, zu denen der Nachrichtendienst die PNR-Rohdaten erhält. Der NDB darf diese Daten jedoch nur bearbeiten, wenn dies sowohl der Bekämpfung der Schwerstkriminalität wie der Erfüllung seiner Aufgaben dient.
  • Auch die Datensicherheit hat oberste Priorität: die PNR werden ausschliesslich in der Schweiz - innerhalb des Informatik Service Center des EJPD - und somit in gesicherten Servern aufbewahrt, also nicht in einer Cloud.

Ziel ist, dass die Daten unbescholtener Flugreisender maximal gut geschützt werden und nur für die Bekämpfung von Terrorismus und anderer Schwerstkriminalität genutzt werden.

Nach Inkrafttreten des Gesetzes wird zudem der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte (EDÖB) die Einhaltung des Datenschutzes beaufsichtigen. Bereits bei der Erarbeitung der Gesetzesvorlage haben wir eine Datenschutzfolgeabschätzung gemacht. Dabei haben wir die Anliegen des EDÖB berücksichtigt.

4. Was nützt PNR? 

Was nützt nun PNR?

Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass die Flugpassagierdaten ein wichtiges Instrument sein können beim Kampf gegen Terrorismus und anderer Schwerstkriminalität: Die Daten können den Behörden etwa helfen,

  • damit sie Straftäter früher lokalisieren und Risikopersonen identifizieren können; Denn die Flugdaten müssen 24 bis 48 Stunden, bevor der Flug stattfindet, gemeldet werden.
  • Sie können auch helfen, damit sie international tätige Netzwerke, z. B. im Bereich des Terrorismus oder des Drogenhandels, leichter aufdecken können oder
  • damit sie einfacher gegen Menschenhandel oder Menschenschmuggel vorgehen können.

Ein zweiter wichtiger Punkt betrifft den Luftverkehr: Die Schweiz ist ein wichtiger Knotenpunkt im internationalen Luftverkehr. Um das zu sichern, müssen auch wir Flugpassagierdaten bearbeiten und mit unseren Partnerländern austauschen können. Das regeln wir mit bilateralen Abkommen mit der EU und mit Drittstaaten. Die Verhandlungen mit der EU laufen seit März 2024 bereits. Weitere Verhandlungen mit Drittstaaten werden folgen. Hierzu hat der Bundesrat heute das Verhandlungsmandat verabschiedet.

Ich fasse zusammen:

  • Der Bundesrat will die Rechtsgrundlage schaffen, damit die Schweiz künftig auch Flugpassagierdaten bearbeiten kann, damit die Schweiz besser gegen Terrorismus und andere Schwerstkriminalität vorgehen kann. Dabei sollen möglichst strenge Datenschutzvorgaben gelten.
  • Der Bundesrat setzt damit internationale Vorgaben um - zu nennen sind mehrere UNO-Resolutionen sowie Vorgaben der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation. Die Nutzung von Flugpassagierdaten wird immer stärker zu einem internationalen Sicherheitsstandard, den die Schweiz erfüllen will.
  • Damit können die Kontrollen der EU nicht mehr über die Schweiz umgangen werden. Die Schweiz soll somit keine Sicherheitslücke im Schengen-Raum sein.
  • Das Gesetz verhindert auch wirtschaftliche Nachteile für die Schweiz; und es verhindert, dass die Schweiz aufgrund einer Datenlücke den Anschluss an den internationalen Luftverkehr verpassen würde.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


Adresse für Rückfragen

Kommunikationsdienst EJPD, info@gs-ejpd.admin.ch, T +41 58 462 18 18


Herausgeber

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
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Letzte Änderung 06.06.2024

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